Ich muss mal kurz zur Post… Otto Wagners Postsparkasse in Wien

Der bedeutende Wiener Architekt und Stadtplaner Otto Wagner (1841 – 1918) gilt als Wegbereiter der Moderne. Gegen Widerstände leitete er eine Abkehr vom verschnörkelten Historismus seiner Zeit hin zu einer funktionalen Sachlichkeit in der Architektur ein. Neben Wohn- und Bankgebäuden gestaltete Wagner u.a. die Wiener Stadtbahn, deren Brücken und Stationsgebäude heute noch das Stadtbild Wiens prägen.

Von 1904 bis 1906 baute Wagner die Postsparkasse Wien. Sein Anspruch war stets, nicht nur das Gebäude selbst zu erstellen, sondern auch die Einrichtung zu gestalten. Ein Tipp: In der Postsparkasse gibt es ein Otto-Wagner-Museum – insbesondere der dort gezeigte Film über Otto Wagner ist unbedingt sehenswert!

Eine befreundete Innenarchitektin wies mich schon vor Jahren auf diese Architektur-Perle hin, so dass ein Besuch in Wien endlich die Gelegenheit ergab, dieses für seine Zeit ungewöhnliche Gebäude zu besichtigen.

Düsseldorf, Kiefernstraße – wo ich meine Kornnatter spazierenführe

Auch das schnieke Düsseldorf hat seine Hafenstraße – hier heißt sie Kiefernstraße und wurde durch Hausbesetzungen in den 80er Jahren bekannt. Ein Hauch von Anarchie durchweht diese Straße immer noch, obschon die Mieter nun alle über reguläre Mietverträge verfügen.

Warum die Kiefernstraße unbedingt einen Besuch wert ist: Ihre Häuserfassaden wurden von Künstlern originell gestaltet.

Und wundert Euch nicht über Bewohner, die ihre Reptilien ausführen – auch Schlangen möchten schließlich mal sonnenbaden!

Wo alles begann – das Fagus-Werk

Im beschaulichen Alfeld im Landkreis Hildesheim versteckt sich ein Architektur-Juwel von internationalem Renommee – das Fagus-Werk.

Das Werk wurde 1911 vom jungen Architekten und späteren Bauhausgründer Walter Gropius errichtet und gilt weltweit als Ursprungsbau der Moderne (Hinweis: Das weitaus bekanntere Bauhausgebäude in Dessau – siehe Blog-Eintrag – entstand 1925/26).

100 Jahre nach seiner Errichtung im Juni 2011 erklärte die UNESCO das Gebäude zum Weltkulturerbe.

Seit über 100 Jahren werden in den Fagus-Werken Schuhleisten hergestellt. Bis heute beliefert die Firma bekannte Schuhhersteller wie Lloyds.

Der Name der Firma entstammt der lateinischen Bezeichnung des Holzes, aus dem die Leisten hergestellt werden: Die Buche – lateinisch „Fagus“.

Architektonische Besonderheiten

Die gemauerten Pfeiler zwischen den Fensterbändern treten optisch kaum in Erscheinung – viele halten die Fassade für voll verglast. Der Trick dahinter: Um die Fensterbänder noch stärker hervortreten zu lassen, wurden die Pfeiler so gebaut, dass sie sich Richtung Dach immer mehr zurückziehen. So wirkt die Fassade eben beinahe wie voll verglast.

Um die stützfreien Eckfenster zu ermöglich, war eine aufwändige Konstruktion erforderlich – der berühmte „Gropius-Knoten“:


Die Fabrik

Das Sheddach gewährleistet eine gleichmäßige Beleuchtung der Fabrikfläche – in Kombination mit den großzügigen Fensterflächen ergibt sich so ein freundliches Arbeitsklima. In der Fabrikhalle finden auch regelmäßig Konzertveranstaltungen statt.

Das Verwaltungsgebäude

Hier befinden sich die Büros der Geschäftsleitung und der Angestellten sowie Besprechungsräume.

Das ehemalige Maschinenhaus dient jetzt als Kantine – und Café:

Lagerhaus

Auf den Bildern ist das Lagerhaus als das hohe, hellverputzte Gebäude mit dem roten Dach zu erkennen. Die Besonderheit im fünfstöckigen ehemaligen Lagerhaus sind die luftdurchlässigen Holzböden, die eine schnelle Trocknung des dort früher gelagerten Buchenholzes ermöglichten. Nach einer Sanierung findet der Besucher hier nun eine interessante Ausstellung zu den Fagus-Werken und Gropius:

Wir sagen: Auf zur Schatzsuche in die Provinz!

La Cité Radieuse / Le Corbusier in Marseille

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Ich dachte noch „Ganz in der Nähe dieses HLM müsste es doch eigentlich liegen…“, als mir bewusst wurde: DAS IST ES !?! Au weiha – ich suchte Bauhaus und fand die Tristesse von Gursky’s Montparnasse?

Um das Happy End vorwegzunehmen: Ich liebte es – nachdem ich die Führung mitgemacht hatte und erfuhr mit welchem Anspruch und mit welch wundervollen Details Le Corbusier seine „strahlende Stadt“ gebaut hat. Es entstand ein außergewöhnliches Gebäude, das in vielerlei Hinsicht an ein Kreuzfahrtschiff erinnert.

Überblick

  • Als Projekt des sozialen Wohnungsbaus von 1947 bis 1952 gebaut (im Auftrag des Ministeriums für Wiederaufbau);
  • Eine große Anzahl Bewohner sollte untergebracht werden, der Charakter eines Dorfes sollte erzielt werden, welches aus Platzmangel in die Vertikale gebaut wurde – mit Straßen, Geschäften, Kindergarten, Schwimmbad, Turnhalle, ÖPNV in Form von Aufzügen
  • Seit 1995 Monument historique
  • Seit 17.07.2016 UN-Weltkulturerbe
  • 337 Maisonette-Wohnungen für 1.000 Bewohner
  • Standardwohnungen von Typ A (16 m2) bis Typ H (203 m2)
  • Zu avantgardistisch für die gedachte Klientel, diese war bei den Wohnungsbesichtigungen klar überfordert und hatte kein Interesse, derartige Wohnungen zu beziehen
  • 1954 traf der französische Staat dann die Entscheidung, die Wohnungen zu verkaufen, es entstand eine Wohn-Kooperative

Die Idee

  • Individuell (wie im eigenen Haus) wohnen, aber in der Gemeinschaft, d.h. es gibt Rückzugsorte, aber auch Gemeinschaftsflächen (eine heute wieder aufgegriffene Idee)
  • Aus diesem Grund sind im Hause verschiedene Orte als explizite Treffpunkte vorgesehen, die durchweg hell gestaltet sind:
    • Die Eingangshalle: Hier gab es Toiletten, bis vor kurzem noch eine Telefonkabine, einen Zeitungskiosk, den einstmals offenen Empfangstresen, Bänke zum Verweilen
    • Die Maternelle (Kindergarten), der Pausenhof des Kindergartens befindet sich auf dem Dach.
    • Kinosaal, Bibliothek
    • Die Dachterrasse
    • Die Ladenzeile

Die Wohneinheiten

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Die Wohnungen sind ineinander verschachtelt gebaut – es gibt die „Supérieur“-Wohnungen, bei denen man von der Eintrittsebene nach oben in die 2. Etage gelangt, sowie die „Inférieur“-Wohnungen, bei denen man eine Etage hinabsteigen muss. Die nicht in der Zugangsebene gelegene Wohnungsebene durchmisst das komplette Gebäude.

Im Zugangsbereich nimmt die Wohnung daher nur knapp die halbe Stockwerksbreite ein, in der zweiten Ebene dann jedoch die gesamte Breite.

Querschnitt

Traversale: Die Wohnungen erhalten jeweils aus 2 Richtungen Licht, da sie einmal das Gebäude durchkreuzen – in einem Geschoss die ganze Stockwerksbreite einnehmend, im anderen knapp die Hälfte, mit Anschluss an den Erschließungsgang. Ein solcher war nur in jedem dritten Stockwerk nötig.

Versorgungsgänge

In ein Skelett aus Stahlbeton wurden die Wohneinheiten wie Sperrholz-Kisten in ein Weinregal geschoben. In die Hohlräume zwischen den Wohneinheiten wurde Glaswolle eingebracht – diese Einzelaufhängung hat eine schallisolierende Wirkung: Man versicherte uns, dass man praktisch nichts vom Nachbarn mitbekommt.

Bei der zu besichtigenden Wohneinheit handelt es sich um eine „Supérieur“-Wohnung des Typs E S2 mit 98 m².

Die Ladenzeile

Um seinem Anspruch als vertikales Dorf gerecht zu werden, plante Le Corbusier in der 3./4. Etage eine Ladenzeile ein. In dieser befanden sich bis 1970 eine Bäckerei, Fleischerei, Fischhändler, Obst-/Gemüsehändler, Epicerie, Traiteur, Friseur, Wäscherei…. also praktisch alles, was man zum täglichen Leben benötigte. Heute gibt es zwar noch eine kleine Konditorei, ansonsten haben sich in den Ladenlokalen jedoch freie Berufe (Architekten, Designer, Experten) angesiedelt.

Ein Hotel gehörte auch zur Kooperative, die Bewohner sollten es selbst nutzen z.B. für Gäste; es wurde jedoch nicht ausreichend genutzt, war letztlich zu teuer für die Bewohner und wird nun privatwirtschaftlich betrieben.

Die Dachterrasse

La Cité Radieuse ist ein begehrtes Wohnobjekt mit einer gut durchmischten Altersstruktur der Mieter: Es gibt alleinstehende Ältere, aber auch junge Familien mit Kindern. Ein großer Teil der Mieter nimmt an gemeinsamen Veranstaltungen – z.B. Theateraufführungen auf der Dachterrasse – teil.

Vitra – revisited

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Zuletzt waren wir im Jahr 2007 auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein (siehe Blog-Post vom April 2013) und hatten die Bauarbeiten am neuen Showroom verfolgt (Architekten: Herzog & de Meuron). Bei unserem Besuch im März 2016 wollten wir den spektakulären Baukörper einmal von „innen erfahren“.

Auf 4 Etagen geht es munter treppauf und treppab und immer wieder erwarten den Besucher neue Drauf-, Durch- und Ausblicke. Ein Möbelhaus der Extraklasse – ob diese Bauform allerdings für die Ewigkeit gedacht ist, wird sich noch erweisen müssen: An den Schnittstellen der Baukörper sammelt sich auf jeden Fall Feuchtigkeit.

Düsseldorf down under – die neue Wehrhahn-Linie

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Als Ruhrpottler wird man schon neidisch, wenn man rüber nach Düsseldorf schielt und sieht, was dort mit Steuergeldern „Untertage“ alles möglich gemacht wird. Nicht nur schnöden ÖPNV wollte die Stadt ihren Bürgern mit der neuen Wehrhahn-Linie bieten – sondern Kunst im Bau. Das künstlerische Konzept wurde von Anfang an in die Planungen einbezogen und – soviel Eigenwerbung muss sein – jede der sechs Stationen wurde von einem Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie gestaltet.

Das verbindende Element entlang der gesamten Linie ist eine helle rautenförmige Wandgestaltung, bei der die Rauten aus Betonfertigteilen an verschiedenen Stellen dynamisch gestaucht wurden. Als Vorlage dienten zeitgenössische Sicherheits- und Verschlüsselungsmuster (z.B. für Geldscheine).

U-Bahnhof Kirchplatz mit „Spur X“ von Enne Haehnle: Leuchtend orange Stahlstränge formieren Textfragmente. Die Leipziger Künstlerin will mit ihrer Arbeit die Wahrnehmung der Benutzer schärfen und Kommunikation fördern. Wenn man sich etwas Zeit lässt, kann man den Text entziffern.

U-Bahnhof Graf-Adolf-Platz mit „Achat“ von Manuel Franke: Die Grundidee hier ist, den Bahnhof als Farbraum zu gestalten. Linienströme wie die eines Achatsteines begleiten den Benutzer vom Straßenniveau bis zu den Gleisen. Erzeugt wurden die Linien durch speziell aufgebrachtes Lösungsmittel. Die hierdurch erzeugten Aussparungen geben den Blick auf die dahinterliegenden dunkel-lila gestalteten Rohbauwände frei.

U-Bahnhof Benrather Straße mit „Himmel oben, Himmel unten“ von Thomas Stricker, der den Himmel unter die Erde holt. Die generelle Anmutung ist die eines Raumschiffs – steril, technoid. Die Wände sind mit Edelstahlplatten verkleidet, in die eine Matrix eingeprägt wurde, die der Braille-Schrift ähnelt. Eine Ebene höher dominieren dann Panorama-Bildschirme mit 3D-animierten Weltall-Videos der NASA und der ESA das Geschehen. Ein bisschen warten lohnt, dann segelt auch mal der Mond oder die Erde vorbei!

U-Bahnhof Heinrich-Heine-Allee mit „Drei Modellräume“ von Ralf Brög: Hierbei handelt es sich um einen bestehenden U-Bahnhof, an dem sich nun verschiedene U-Bahnlinien kreuzen und der entsprechend ausgebaut wurde. Das Konzept hat sich uns nicht recht erschlossen, vielleicht weil wir nicht lange genug gesucht haben? Daher: Sorry – keine Bilder!

U-Bahnhof Schadowstraße mit „Turnstile“ von Ursula Damm: Diese Station kam auf den ersten Blick dekorativ harmlos daher; als Farbe dominiert königsblau. Direkt über dem Tunnel ist eine große LED-Wand angebracht, auf der sich verschiedene Formen entwickeln und bewegen. Hübsch aber langweilig? Dachten wir, bis wir verstanden, dass die Bewegungen auf der LED-Wand Bewegungen von Fußgängern auf der Straßenebene aufgreifen, die über Sensoren und eine Kamera erfasst werden. So gelangt die Energie von oben in Echtzeit nach unten. Auch die runden Elemente der Wandgestaltung spiegeln das Oben wider: Bei genauem Hinschauen entpuppen sie sich als Luftaufnahmen von Düsseldorf.

U-Bahnhof Pempelforter Straße mit „Surround“ von Heike Klussmann: Die Berliner Künstlerin umwickelt die Räume mit einem Band und durchkreuzt dabei die von der Architektur vorgegebenen Linien; der Raum scheint den Fahrgast zu umfangen, die tatsächlich vorhandene Raumstruktur beginnt sich aufzulösen.

Bikini??? Berlin!!!

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Auslöser für diesen Beitrag war ein Foto von einem Freund vor der Gedächtniskirche in Berlin. Auf meine Frage „Und wie fandest Du das Bikini?“ fragte er zurück „Was für’n Bikini?“

Ich war fassungslos: Wie kann man sich die Gedächtniskirche anschauen und das Bikini links liegen lassen? Tja: Aus Ignoranz! Also muss dem armen Kerl geholfen werden.

Als Teil eines denkmalgeschützten Gebäudeensembles aus den 1950er Jahren wurde das Bikini Berlin von 2010 – 2014 aufwändig saniert und im April 2014 wiedereröffnet. In seiner ursprünglichen Nutzungsform beherbergte es Geschäfte, Büros und sogar Produktionsstätten. Seit der Wiedereröffnung findet man dort neben der Gastronomie edle Concept- und Flagship-Stores sowie Büros und ein Hotel – das 25hours.

Wieso eigentlich „Bikini“: Früher nannte der Volksmund das Gebäude „Bikinihaus“ aufgrund eines Luftgeschosses in der 2. Etage, welches das Gebäude optisch in zwei Teile gliederte.

Im unteren Bereich des länglichen Riegels befindet sich nun die Concept Mall, deren Highlight ein riesiges Panaromafenster zum Zoologischen Garten hin darstellt. Vor dem Fenster laden Kissen zum Verweilen ein, zu sehen gibt es den Affenfelsen.

Wen der Anblick kopulierender Affen zum Capuccino stört, der kann auch rüber in den Hochhausturm wechseln, in dem das Hotel 25hours untergebracht ist. Dort wähle man in der obersten Etage zwischen der „Monkey Bar“ und dem Restaurant NENI (Vorsicht: Abends reservieren!). Man fährt direkt aus dem Eingangsbereich mit dem Aufzug nach ganz oben und kann von dort einen spektakulären Ausblick über den Tiergarten bis zum Reichstag genießen.

Auch die Hotel-Lounge in der 3. Etage ist einen Besuch wert. Hinein gelangt man außen über die Dachterrasse des Bikini. Es empfiehlt sich ein unauffälliger Rundgang – in der Lounge halten Hipster-Unternehmen gerne ihre Besprechungen ab.

Also: Für Freunde des guten Designs ein heißer Berlin-Tipp!

Hamburg – Hafencity

Schon lange stand es auf der Wunschliste: Hamburg Hafencity! In diesem Sinne einen lieben Gruß nach Eimsbüttel für die hervorragende Herberge!

Was den Hamburgern mit der Freigabe des Freihafengeländes an Fläche zur Verfügung gestellt wurde (155 Hektar, davon ein Drittel Wasser) haben sie für die Erweiterung der Hamburger Innenstadt mit feinster Architektur vollgepackt. Freiflächen zwischen den Gebäuden bieten dennoch schöne Durckblicke auf die angrenzende denkmalgeschützte Speicherstadt.

Der fotografische Rundgang startet im Osten der Hafencity und endet im Westen an den Landungsbrücken. Meine Empfehlung: Mit der U-Bahnlinie 4 bis Haltestelle „HafenCity Universität“ fahren und dann die Hafencity von Ost nach West aufrollen. Spektakuläre moderne Architektur wird immer wieder durch erhalten gebliebene ehemalige Hafengebäude kontrastiert: Ehrwürdige Relikte des alten Freihafens wie der Kaispeicher B, der das Internationale Maritime Museum beherbergt oder das Kesselhaus, in dem ein Modell der Hafencity begutachtet werden kann.

… und moderne Architektur hin oder her: Hafen-Feeling gibt’s immer noch reichlich!

Das Bauhaus in Dessau

Wem der Weg nach Sachsen-Anhalt zu weit erscheinen mag, dem sei wärmstens empfohlen: 3 UNESCO-Welterbestätten in unmittelbarer Nachbarschaft! Neben dem Bauhaus in Dessau sind Wittenberg und das Wörlitzer Gartenreich nur einen Steinwurf entfernt – mehr Kulturverdichtung geht nicht! http://www.luther-bauhaus-gartenreich.de Bauhaus Dessau

Zeitlicher Überblick:
1919 – 1925 Weimar
1925 – 1932 Dessau
1932 – 1933 Berlin

Was in den nur 6 Jahren Bauhaus in Dessau entstand ist außergewöhnlich. Neben dem Bauhausgebäude selbst entstanden die sogenannten Meisterhäuser – eine Einzelvilla für den Direktor und drei Doppelhaus-Villen für die „Profs“ des Bauhauses, die Meister. Lyonel Feiniger, Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky, Paul Klee – schon mal gehört? Waren alle Meister am Bauhaus! Bilder zur den Meisterhäusern gibt es im zweiten Abschnitt. Außerdem erbaute Walter Gropius im Rahmen eines Projektes für preiswerten Wohnraum von 1926 bis 1928 die Siedlung Törten –  Bauhaus für jedermann sozusagen. Näheres am Ende dieses Beitrags.

Das Bauhausgebäude

Das Gebäude wurde von Walter Gropius, dem Gründer und langjährigen Direktor des Bauhauses, entworfen und 1926 eingeweiht. Legendär der Glasvorhang des Werkstattflügels, welcher dem Komplex seine Leichtigkeit verleiht. Im wunderschönen Auditorium, der Bauhaus-Aula, finden regelmäßig Konzerte statt und in der Mensa nimmt man stilecht auf Marcel-Breuer-Hockern Platz. Ins Auge fällt zudem das Ateliergebäude mit seinen prägnanten Mini-Balkonen – ein Luxus-Studentenwohnheim, in welches man sich als Bauhaus-Tourist heutzutage sogar einquartieren kann. Und man beachte die Konsequenz, mit der der Bauhäusler selbst die Fallrohre nach innen verlegte, damit kein Firlefanz den äußeren Eindruck beeinträchtigt.

Die Meisterhäuser

Von oben draufgeschaut: Meisterhäuser Luftsicht

Kriegszerstörungen und bauliche Veränderungen während der Zeit der DDR führten dazu, dass die Künstlerkolonie nur noch ein Schatten ihrer selbst war. So wurde auf das Fundament der Direktorenvilla (siehe „Gropius“) ein unsägliches Satteldachhaus gesetzt; in den Doppelhäusern wurden die großflächigen Fensterfronten zugemauert, um Standardfenstern platz zu machen. Glücklicherweise wurde das Ensemble ab 1993 einer denkmalgerechten Sanierung zugeführt und in 2014 eröffnete man die im Krieg zerstörten Meisterhäuser wieder. Die Berliner Architekten Bruno Fioretti Marquez stellten den Neubau der zerstörten Meisterhäuser unter das Motto der „gebauten Unschärfe“. Es ging ihnen bewusst nicht um eine originalgetreue Rekonstruktion. Allein die äußere Form der Baukörper sowie die Position der aus Kunstharz gegossenen Fenster blieben erhalten.

Die Direktorenvilla – einst und jetzt:

Die Meisterhäuser:

Die im Krieg zerstörte Haushälfte Maholy-Nagy wurde wie die Direktorenvilla durch einen Neubau ersetzt, so dass in diesem Fall alt und neu Wand an Wand steht. Bei der Inneneinrichtung der Meisterhäuser fällt besonders die funktionale Ausgestaltung des Küchen- und Essbereiches auf: Die Lebensmittel lagerten in einem Kellerbereich, welcher über ein Durchreichefenster mit der Küche verbunden war. Von der Küche aus wiederum gab es einen Durchbruch zum Anrichtezimmer, welches an der gegenüberliegenden Seite mit dem Esszimmer verbunden war. Wichtigster Raum für die Meister waren sicherlich die großzügigen und lichtdurchfluteten Ateliers, mit denen jedes Haus ausgestattet wurde.

Die Siedlung Törten

Die Siedlung Törten wurde von 1926 bis 1928 von Walter Gropius gebaut – eine Reihenhaussiedlung mit 314 Häusern, die zum Verkauf standen und die zur Selbstversorgung der Bewohner mit sehr schmalen aber sehr langen Gärten ausgestattet wurden. Da Häuslebesitzer dazu neigen, ihre Scholle zu „individualisieren“, ist bei vielen dieser Häuschen der Bauhauscharakter leider nicht mehr zu erkennen. Um die schlimmsten Entstellungen zu verhindern, hat die Stadt Dessau inzwischen Auflagen gemacht, aber es stockte uns trotzdem immer wieder der Atem…

Um so schöner, dass es das „Haus Anton“ gibt! Die letzte Bewohnerin war dort 1926 mit ihren Eltern eingezogen, hatte das Haus weitgehend im Originalzustand belassen und dieses dann für die Zeit nach ihrem Tod der Stadt Dessau überlassen. So kann man dort wunderbarerweise noch das original steinerne Sitzbad in der Küche sowie das Metroclo im Stall besichtigen. Ein weiteres Haus wurde von einem Bauhaus-Liebhaber in Eigenarbeit in den Originalzustand versetzt – davon wünschen wir uns noch mehr!

Bauhaus – Original:

Bauhaus – individualisiert:

 

Lübeck – Bricks ’n Roses

Alles Mögliche hatte ich erwartet – nur das nicht: Rosen! Rosen, überall Rosen, scheinbar aus dem Kopfsteinpflaster herauswachsend, an Regenrinnen emporrankend und sich schließlich mit ausladender Blütenpracht vor den Häuserfassaden ausbreitend.

Die alljährliche Ruderwanderfahrt hatte uns diesmal an die Stadt an der Trave verschlagen. Ich stehe ungläubig vor diesem rosamunde-pilcheresken Gesamtkunstwerk – wieso hatte ich noch nie davon gehört? Lübeck und Holstentor, na klar. Lübeck und die Buddenbrooks, sowieso. Aber Lübeck und Rosen? Ich vermute dahinter ein angestrengtes Stadt-Marketing-Konzept. Aber nein: „Fette Erde“ ist die denkbar knappe Antwort eines befragten Einheimischen.

Außerdem bleibt mir die große Anzahl an Kirchen in Erinnerung – die „Stadt der 7 Türme“ wird Lübeck genannt, was sich auch gerne als Gericht auf den Speisekarten der Lübecker Gastronomie wieder findet. Und: Die Lübecker Altstadt ist das größte deutsche Flächendenkmal des UNESCO-Welterbes (Reisen bildet!). Mir hat diese mit ca. 210.000 Einwohnern überraschend große Stadt richtig gut gefallen. Also: Auf nach Lübeck! Vielleicht im Juni – der Rosen wegen.